Freitag, 11. Februar 2011

Danae, Miriam und Janto .................................................................The End

Finishing




Immer, wenn sich das Ende einer Geschichte ankündigt, kann ich es zunächst nicht fassen, dass es soweit ist. Das Kunstwerk bestimmt den Anfang, den Werdegang und das Ende, ich brauche mich nur darauf einzulassen; in jeder Phase ist es für mich spürbar, wenn sich etwas in mir ausdrücken will; der Tag, der schriftstellerische Tag hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, und ich wundere mich immer wieder, mit welcher Vehemenz, mit welcher Kraft sich das Innere ausdrücken will. Es ist jedes Mal ein Geburtsvorgang; das Leben hat mich schwanger gemacht, meine Seele ist die Gebärmutter; und eines Tages ist es soweit, die Wehen kündigen sich an, und eigentlich brauche ich als Mensch nicht viel zu tun, um als schriftstellerische Hebamme die Geburt zu begleiten.
In der Tat, irgendwie ist es mit einer Geschichte wie mit einem Kind; es ist die Sehnsucht des Lebens nach sich selbst – das Kind gehört sich selbst – wir können es nur liebevoll annehmen und begleiten. Nicht einmal in unseren kühnsten Träumen wissen wir, was das Innere des Kindes ausmacht, und das ist auch nicht nötig, wenn wir einander in Würde begegnen. Selbst ich fange an, die Novelle immer wieder aufs Neue zu sichten, anzuschauen, auf unterschiedlichste Weisen anzunehmen, lieb zu gewinnen, zu hinterfragen, spielerisch neue Aspekte einzufügen, innerlich, aber nicht praktisch, frage mich, was mit all den Ideen passiert, die ich nicht realisiert habe, weil die Geschichte ihre eigene Melodie singt und nicht immer meinen Ausstattungswünschen folgt.
Beispielsweise hätte ich liebend gerne ein paar BMWs in die Geschichte eingefügt; Danae fährt einen weißen Einser-BMW, Miriam und Janto fahren Dreier-BMW, Miriam eine schwarze Touring-Variante und Janto einen M3, in dunkelblau. In der Loftwohnung steht ein alter Barockengel, ein BMW V8, vielleicht als Cabrio. Nach einem Traum, in dem der Regenwald eine große Rolle spielte, habe ich die Idee wieder verworfen, um nicht eine aggressive Autogesellschaft zu unterstützen, in der sich die Persönlichkeit eines Menschen über die Automarke und das jeweilige Modell definiert, abgesehen von den Umweltschäden, die fast irreparabel erscheinen. Weil es sich um das Selbst dreht, das erkundet werden will, kann nicht ein gesellschaftlich pervertiertes Bild in dieser literarischen Geschichte auftauchen. Gerne hätte ich eine Geschichte mit Janto und Miriam in einem künstlerischen Atelier hinzugefügt, aber die Anspielung auf Khajuraho, dem alten indischen “Liebestempel” reicht vollkommen aus, um neugierig auf andere Welten zu machen.
Neue Kontexte zu alten Geschichten zeigen sich auf; Danae beispielsweise spielte als Anaé die Hauptrolle in der Novelle: “Die Göttin in der Schule” – damals war sie noch vierzehn Jahre jung, Janto Hayen war Protagonist vieler Kurzgeschichten, auch wenn er nicht konzeptionell “erfunden” wurde. Die Geschichten lassen sich neu komponieren, zusammenstellen, doch das zu seiner Zeit.
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Schon während des Entstehens und des Schreibens spürte ich durch Gespräche mit Freundinnen und Freunden, wie wichtig die Themen dieser Novelle sind; ich war erstaunt, dass alleine schon die Anfangssequenz starke Reaktionen auslöste, insbesondere bei Frauen. Als ich mir eine Pause “verordnen” wollte, konnte ich nicht ruhen, weil die Wehen mich wieder an die Tastatur riefen.
Es ist eigentliche eine kollektive Geschichte; obwohl nicht mehrere Menschen am Text gearbeitet haben, ist es für mich nachvollziehbar, dass eine Reihe guter Freunde bei der Entstehung mitgeholfen haben; Menschen aus meinem Leben, die ich so gut kenne, dass ihre, unsere Themen und Geschichten aus dem richtigen Leben Eingang in die literarische Welt gefunden haben. Vielleicht macht das Alles zusammen die Schönheit und die Brisanz der Geschichte aus; jede einzelne Situation könnte sich tatsächlich so zugetragen haben. Das Lebendige, das Authentische, das Ehrliche, das ist es, was mich immer wieder bewegt hat und was mich Worte bewegen lässt.
Lange Zeit habe ich mir die Frage gestellt, ob es Lösungen im wirklichen Leben für Tragödien gibt, und die Antwort lautete grundsätzlich: “Eigentlich Nein, weil die Tragödien sich im Kopf abspielen, weil irgendwelche Griechen ein geistiges Muster geschaffen haben, von dem wir abhängig zu sein scheinen.” Das “Eigentlich” impliziert, dass es doch eine Lösung geben könnte, ja, sogar geben muss. Das JA war zunächst abstrakt, forderte mich auf zu sagen, entmächtige die griechische Gedankenwelt, indem du postulierst, dass das reale Leben falschen Philosophen folgt. Das war der Stand der Dinge, Ende der achtziger Jahre.
Eine konkrete Lösung habe ich für mich gefunden, indem ich mich auf den spirituellen Weg begab. Zwei Ansätze, die Lösungen anboten. Zunächst Tantra. Eine Bejahung von Sexualität, Lust und Spiritualität. Ein Biotop, der ein vollkommen anderes Leben hat als die Griechen, die zwar Sex mögen, aber tausend Probleme deswegen bekommen. Dann Oshos Meditationen; Oshos Philosophie, die das natürliche Leben als Trampolin und als Sprungbrett in die Spiritualität versteht, ein Ansatz, der psychodynamisch funktioniert, ein Ansatz, der weit über alte tantrische Ansichten hinaus geht.
Stell Dir mal das herkömmliche Leben vor; wie lange und kompliziert das Eingangsthema verläuft. Eine Frau lernt ihren Vater kennen – aber erst nach achtunddreißig Jahren. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden ist Heilung möglich, ein Prozess, der im Allgemeinen fast unmöglich erscheint oder der katastrophal verlaufen würde, wenn die Beteiligten nicht die Würde des anderen sehen, wenn sie ihre Gefühle unterdrücken. Spiritualität verändert den Alltag, Spiritualität ist das Annehmen all dessen, was zum Menschen dazu gehört. Spiritualität ist Liebe – und Liebe ist Spiritualität.
In der jüngsten Zeit habe ich über die Novelle ein paar Menschen kennengelernt, oder wieder aufgesucht, weil sie mir wichtig waren und sind. Das ist zum einen Prem Saraha, die ich im Netz gefunden habe, weil ich auf der Suche nach „Saraha“ gewesen bin, Saraha, dem Wesen, das Tantra in die Welt gebracht hat, der das Leben gesucht hat, das Intellektuelle aufgegeben hat und mit einer Pfeilmacherin zusammen auf einer Totenverbrennungsstätte gelebt hat, er, der Mann, der aus einer brahmanischen Kaste kam. Auf ihrem Blog hat Prem Saraha viele Geschichten über diesen historischen Saraha, über Tantra und über ihr eigenes Leben zusammengestellt.
Schließlich Aryaman Stefan Wellershaus, den ich vor fünfzehn Jahren in Bremen kennenlernte. Er ist ein wunderbarer einfühlsamer Mensch, der mir am Herzen liegt, so, wie er ist. Ich bin mit ihm über Tantra verbunden, über zwei tantrische Skulpturen, die seine Tochter geschaffen hat, über seine Khajuraho-Geschichten – er hat eine Fantasiereise geschrieben -, über seine erotischen Geschichten und vor allem über seine Schlichtheit, seine Ehrlichkeit und seine Warmherzigkeit. Es ist für mich ein großes Geschenk, dass er umgehend eingewilligt hat, dass ich den Khajuraho-Abschnitt mit seinen Seiten verlinken darf; noch größer ist das Geschenk, dass wir uns menschlich begegnen.
Es kommen noch zwei Menschen hinzu, die mir sehr am Herzen liegen, doch von den beiden erzähle ich ein anderes Mal.
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Nun, die Geschichte, die Novelle gehört nicht mehr mir, eigentlich hat sie noch nie mir gehört, sie gehört jetzt uns allen – auch, wenn sie nicht CommonSense im urheberrechtlichen Sinn ist. Was sie Dir bedeutet, liebe Leserin und lieber Leser, würde mich zutiefst interessieren. Wenn Du die Novelle von Danae, Miriam und Janto rezensieren möchtest, schreibe mir bitte eine Email, so dass ich Dir das Werk als PDF zukommen lassen kann; dann liest es sich leichter und es ist ein Geschenk an Dich, wenn Du mir Deine Gefühle und Deine Gedanken zu der Geschichte mitteilst.
“This is the end, my friend, my dearest friend”, für diese Novelle. Wie ich das Leben kenne, wird es noch eine Nachgeburt geben, dieser Beitrag ist ein Teil davon, weil ich möchte, dass Du nicht auf den nächsten Abschnitt wartest, sondern Dich damit anfreundest, dass die Geschichte zu Ende geschrieben ist. In der Tat ist das “Finishing”, das Beenden eines Kunstwerks wie ein kleiner Tod. Danach zu meditieren, das ist die schönste Weise, um aus der Verschmelzung mit dem Geliebten – oder der Geliebten – in eine neue Dimension überzugehen.
Love
Burcado
Postscript
Schicke mir Deine Anfrage auf burcado [aet] gmail.com, und schon bald hältst Du eine layoutete Novelle in Deinen Händen; mehr Dein Computer, Du brauchst sie nur noch auszudrucken.
Links
Prem Saraha
Aryaman Stefan Wellershaus

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