Sonntag, 6. Februar 2011

Danae, Miriam und Janto ........................................................................9

Von Gipfel zu Gipfel

„Das, was folgte, ist rasch erzählt, ein Zeitraffer, der es ermöglicht, das Thema von „Vater und Tochter“ nicht aus dem Auge zu verlieren, auch wenn die neue Meditation von Danae es wert gewesen wäre, genauer betrachtet zu werden, nicht nur rein literarisch. Selbst wenn Miriam in Danae ihre neue Meisterin gefunden hatte, loderten Funken des Hasses in Jantos Tochter.
Es ist nicht so, dass Miriam einen offensiven Kampf gegen ihren Vater und seine junge Freundin führte, jedoch war es gegeben, dass die alten Verletzungen, die Janto Miriam und ihrer Mutter Heike Connor zugefügt hatte, zu einem komplexem Gebilde führte, das das Verhalten, die Emotionen, die Stimmungen und die psychische Konstitution von Miriam weitgehend steuerte. Miriam wurde auf der Party als „Miriam“ vorgestellt, nicht als Jantos Tochter, was sie wiederum ärgerte und sie zu neuen Aggressionen veranlasste. Danae hätte gerne auch die gemeinsame AUM modifiziert, aber Janto bat sie, das Konzept, das er genau wie Danae als zu künstlich empfand, an diesem Abend beizubehalten.
Vierzehn Menschen hatten ihre Freude, in Jantos Tempel ihre Gefühle auszudrücken, verrückt zu spielen, zu schreien, zu lachen und zu weinen. Oberflächlich betrachtet, half ihnen die soziale Meditation, das weite Spektrum von Hass und Liebe gemeinsam anzugehen, in einer Atmosphäre, die sexuelle Triebe, Lust und Erotik bejahte. Kaum hatten sie die Abschlussmeditation beendet, verabschiedeten sich die ersten Gäste. Ein halbe Stunde später waren Danae und Janto alleine im Loft; selbst Miriam hatte ihren Plan geändert, weil sie Lust bekam, Anandi, eine jüngere Sannyasin, in dieser Nacht zu verführen, und weil Anandi Lust darauf hatte, verführt zu werden und zu verführen. Miriam hatte sich für den kommenden Abend zur Gute-Nacht-Geschichte eingeladen.
Danae und Janto bereiteten sich ein kleines Mahl aus Salat und Pizza aus der Tiefkühltruhe vor, genossen es, sich gegenseitig zu füttern, bis Janto es sich erlaubte, vorsichtig zu fragen, was aus ihrer tantrischen Nacht werden würde. Danae schaute in die Kerze, blickte dann auf die gelben, orangenen und roten Sitzkissen des Podests, und sah dann Janto in die Augen. „Morgen. Morgen haben wir genug Zeit für die fünfte Nacht.“
In der vierten tantrischen Nacht, einer ritualisierten sexuell-spirituellen Begegnung mit Mantren, Yantren und Magie, hatte Danae Janto gezeigt, wie sie sich selbst streichelt, alleine ihre Lust lockt, in ihr schwimmt, um sich genau bis zu der Grenze des „Point of no return“ zu stimulieren. In jenem Moment schloss sie die Augen, stellte sich eine große schwarze Tafel vor, schrieb mit imaginierter Kreide das Mantra „PAHHH DAHHH O-MAHHH“, rief es laut aus, immer wieder, bis sie ihre Lust konditioniert und ihre Energie beherrscht hatte. Dann tauschten die beiden die Rollen, und sie schaute Janto zu, auf welche Weise er seinen Lingam und seinen Körper in Lust versetzte, bis auch er den Weg vom Gipfel der Lust ins Tal herunter fand – ohne Orgasmus.
Zeit, Kraft und Lust für die fünfte Nacht hatte Janto allemal; er freute sich darauf, all das, was er gelernt hatte, auszuprobieren, auch wenn er schon oft Danae Freude mit seinen Fingern bereitet hatte – und nicht nur Danae. Etwas Neues war in ihr Leben getreten, er hatte zahlreiche Facetten ihrer Liebeskünste, ihres lustvollen Spiels mit ihrem eigenen Körper kennengelernt, hatte sich über ihren Anblick, über ihre Schönheit in sexueller Trance so gefreut, dass er es kaum abwarten konnte, ihr auf „ihre“ Weise Lust zu schenken, auch wenn sie ihm erlaubte, kreative Variationen einzuspielen. Wer zuerst aktiv oder passiv sein würde,  sprachen sie immer kurz vorher, in der Badewanne oder unter der Dusche ab.
„Morgen, mein Liebster,“ sagte Danae, „morgen ist schon gleich. In fünf Minuten ist Mitternacht.“
Danae und Janto genossen ihre fünfte Nacht, hatten viel Freude an der ritualisierten Pause, die eine Stunde dauerte, damit die sexuelle Energie sich neue Wege bahnen konnte. Sie nahmen ein kleines Nachtmahl zu sich, einen provencialischen Hühnersalat, tranken ein Glas Rotwein, erzählten sich Märchen aus Tausendundeiner Nacht, um dann ihre Lust von Neuem zu locken. Die Zeit blieb stehen, während das tantrische Paar Gipfel für Gipfel erreichte, sich wieder in die Täler hinunteratmete, um dann von neuem den nächsten Gipfel zu erklimmen. Irgendwann schaute Danae aus dem Fenster, hörte die Vögel zwitschern, und sah, wie das Licht der Dämmerung den Hafen verwandelte. Die beiden duschten lange miteinander, um wach zu werden, frühstückten und liefen dann gemeinsam durch das Hafengelände, kletterten über die Friedhofsmauer an der Nordstraße, eilten am Revolutionsdenkmal vorbei, Janto machte innerlich ein „Namasté“ für die Aufständischen, liefen Hand in Hand weiter, bis sie sich kurz vor der Schule mit einem langen Kuss am Waller Ring trennten.
Die Uhr schlug elf, als Miriam unerwartet zum zweiten Frühstück bei Janto erschien.“

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