Samstag, 5. Februar 2011

Danae, Miriam und Janto ........................................................................8

Jantos Meisterin

„Stairways to heaven,“ war Danaes Gedankenblitz auf dem Weg zum Tempel. Schon oft war sie mit Janto die Treppe hochgegangen, doch noch nie hatte sie sich die Frage gestellt, warum der Loft in der höchsten Etage untergebracht war. Janto hätte ihn im Souterrain installieren können, um mit den niedrigen Emotionen und dem kollektiven Gedächtnis intensiv arbeiten zu können. Immer nur arbeiten, und immer nur im Keller, in der Dunkelheit, das wäre zu viel für die menschliche Psyche. Hier oben war der Blick frei, erzählte die Geschichte des alten Holzhafens, wenn man an einigen Relikten mit dem Auge hängen blieb, die Höhe machte die Gegenwart des Himmels erfahrbar, am Tag sowie in der Nacht.
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Leise öffnete Danae die Tempeltür; sie fühlte, dass sich Miriam Reiki gab. Wie eine Indianerin durchquerte Danae lautlos den Raum, um für sich einen Platz zu finden, während Miriam ungestört in ihrer Welt zur inneren Ruhe fand. In einer Nische befand sich eine übergroße Reproduktion eines Gemäldes von Jan Gossaert van Mabuse. „Das ist Danae,“ hatte ihr Janto erklärt, als sie sich kennengelernt hatten, „ich bete sie an, und weil ich sie anbete, möchte ich mir bewusst darüber werden, warum ich sie anbete.“ Als Janto sie in Sannyas einweihte, hatte sie sich „Danae“ als ihren neuen Namen ausgesucht – Ma Prem Danae.
Danae hatte sich entschieden, dass sie schon bald Mutter werden wollte, noch vor dem Studium, und Janto sollte der Vater sein. Nach dem Abitur würden sie in sieben aufeinanderfolgenden Nächten ihre Hochzeit mit der Erdgöttin Freya feiern, zusammen mit ihren Freunden und Freundinnen, und bald darauf würden sie ein Ritual kreieren, um die Seele ihres Kindes zu rufen, sie würden um Schutz für ihre Familie bitten, um in Liebe und in Kontinuität zusammen sein zu können, solange, bis das Kind die Jugendreife bekäme. Würden sie dann weiter in Liebe miteinander sein, gäbe es keinen Grund, auseinanderzugehen.
Immer, wenn Danae vor dem Bild Gossaerts meditierte, stellte sie sich die Frage, „Wer bin ich?“ Der Bezug zu des Künstlers Danae war frappierend, ihr Gesicht war ähnlich, nur ihr eigenes Gesicht war eher oval-rund als rundlich, ihre Haar lang, gewellt oder ungewellt, je nachdem und blond; ihre eigenen Brüste waren lebendig, runder und weicher, obwohl sie natürlich und straff waren. Janto hatte einmal einen Bleistifttest gemacht, eine Verrücktheit seiner Jugend, wie er sofort zu gab, doch der Bleistift fiel zu Boden und Janto lag zu ihren Füßen, mehr bildlich als in Realitas, auch wenn er sie begehrte. Janto war in Liebe, er war nicht in sie verliebt, wie er sagte, Janto war ein spiritueller Meister, und dennoch war er angenehm irdisch, geil und verliebt. Danae schau sich die Knospen der gemalten Danae an, und stellte sich vor, was der Künstler und sein Modell alles miteinander gemacht hatten, damit Lust, eher stille Wollust, sichtbar werden konnte. Ihre eigenen Knospen waren voller, wenn sie sich der Lust hingab oder der Wind ihre Brüste streichelte. „Wenn es dich nicht gäbe,“ hatte Janto bei ihrem ersten Treffen gestanden, „würde ich dich erfinden. Wenn du willst, werde ich dein Swami und dein Zeus.“ Immer, wenn sie den Goldregen anschaute, fing sie an zu lachen. Auch ihr Vater hatte sie eingesperrt, und doch es war ihm nicht gelungen, Jantos Goldregen zu verhindern. Seit der Zeit mit Janto hatte sie angefangen, den Regen zu lieben, nicht nur den warmen Sommerregen, der sie an Jantos warme Lust erinnerte, auch den kühleren Regen und seit einiger Zeit fing sie an, die grauen Wolken zu lieben, weil es die Tage waren, in denen sie ohne große Worte sofort in Jantos Himmelbett landeten, nachdem sie sich geduscht und zweiundzwanzig Kerzen angezündet hatten. Sie brauchten keine Musik und keine Rituale, wenn sie tagsüber Sex hatten. Gossaerts Danae war Kindfrau, Danae war Frau, auch wenn sie alle Rollen spielen konnte – Kind, Jugendliche, Kindfrau, Lolita, Frau, Hure und Göttin.
Danae räusperte sich auf eine Weise, dass Miriam wach werden konnte.
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„Soll ich dir jetzt Reiki geben?“ fragte die ahnungslose Reikimeisterin. Danae verneinte. „Lass uns die AUM machen. Wir verändern die Spielregeln, und dann geht es los.“
„Wie bitte?“
„Die alte Version von Veeresh und Osho trifft es nicht mehr, jedenfalls für uns beide nicht. Ich schlage vor, dass wir aus der Hassphase eine tantrische Übung machen. „Return to hell“ läuft zweimal, jeweils mit vertauschten Rollen. Beim ersten Mal ist einer von uns aktiv, der andere passiv. Die passive von uns sitzt in Meditation, während die aktive einen Hassangriff durchführt.“
Miriam hatte nichts verstanden. Das neue Konzept kam zu schnell für sie. Sie war ein spiritueller Roboter geworden, dachte sich Danae.
„Ich erkläre es dir noch einmal. Es dreht sich um Hass, wir spielen Angriff und Verteidigung. Die Angreiferin kann alles tun, was sie will, ohne die Verteidigerin physisch anzugreifen. Sie kann den Angriff planen, sie kann ihre Energie aufbauen, sie kann tanzen, sich um tausend andere Sachen kümmern, sie kann schreien, sie kann einen lautlosen Angriff unternehmen, egal, wie auch immer, sie kennt die gesamte Hasspalette und genießt ihren Angriff. Währenddessen fokussiert sie ihre Bewusstheit auf ihre Psyche, warum sie diese Spiele spielt, ohne sich dabei zu verurteilen. Sie nutzt ihre Lust, um in Zorn, Jähzorn oder Hass zu sein. Die Verteidigerin nimmt ihre Ängste wahr, transformiert sie, baut ihre Energie auf, erstellt einen Schutzschild, wehrt alle Angriffe ab. Dabei achtet sie auf die unsichtbaren Komponenten des Angriffs, versucht die Schwingungen wahrzunehmen, entwickelt die Lust, mit der Angriffsenergie umzugehen. Es ist ihre Aufgabe, eine Bewusstheit über alle Komponenten von Angriff und Verteidigung zu entwickeln.“
Miriam schüttelte den Kopf. „Hat Janto dir das beigebracht?“
„Ich bin eine Indigofrau, ich war ein Indigokind, wenn dir das was sagt.“ Miriam nickte. „Indigos sind mehrfach mit dem Göttlichen verbunden. Du musst es dir mühsam erarbeiten, und du weißt nicht, ob du es schaffst, ob du jemals erleuchtet wirst. Ich bin erleuchtet, deswegen weiß ich, während du ahnst oder Janto ahnt. Janto ist Meister, ich bin.“
„Du bist was?“
„Ich bin und ich bin Jantos Meisterin.“
Miriams Augen wurden größer, ihr Mund öffnete sich. Sie schloss ihre Augen, atmete tief durch, mehrmals und dann spürte sie es. Danaes Aura entsprach dem, was sie in der Gegenwart von Bhagwan wahrgenommen hatte. Der Funke sprang auf Miriam über und ließ sie demütig werden. „Verzeih mir bitte, ich habe dich unterschätzt, entschuldige, ich habe dich nicht gesehen. Ich ehre die Göttin in dir.“ Und während sie sich tief verbeugte, verbeugte sich Danae ebenfalls vor Miriam und sagte: „Namasté Miriam, ich verehre Osho in dir.“

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