Donnerstag, 3. Februar 2011

Danae, Miriam und Janto ........................................................................6

Ruhe vor dem Sturm

Den Gong, der das Ende der Meditation verkündete, überhörte Miriam. Sie war eingeschlafen, wie schon so oft, wenn sie physisch und emotional erschöpft war. Danae setzte sich an ihre Seite, um ihr Gesicht zu betrachten. Unbeobachtet zu sein, das war es, was sie brauchte. Die Bilder am Computer waren vielleicht das Werk eines guten Programmierers, der von Miriam bezahlt war.
„Männer können so einfältig sein,“ hatte Janto ihr eines Nachts erzählt, als sie sich ein Auto von ihm gewünscht hatte, kurz vor seinem Orgasmus. Sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die Situation beherrschte, indem sie innehielt, aufhörte, lustvoll zu stöhnen und seinen Lingam aus der Yoni flutschen ließ. Männer lieben keine Vollbremsung kurz vor dem „Point Of No Return“. In diesem Augenblick versprechen Männer alles, das wussten schon die schönen Römerinnen. Ob sie es halten, das war eine andere Sache. Janto war anders. Er atmetete tief durch, Kobraatmung, und vollzog ebenfalls die Vollbremsung. Auch er konnte seinen Körper steuern, halbwegs. Das war der Moment, als sie ihn schätzen gelernt hatte, weil er ihr kein Auto versprochen hatte, obwohl er einige Mätressen in dieser Größenordnung beschenkt hatte, irgendwann, lange vor ihrer Zeit.
Danae sah Miriams jugendliche Schönheit, wunderte sich, dass ein erwachsener Körper so schön, so unendlich schön sein konnte, betrachtete die entspannten Falten, ließ sich von Miriams Fähigkeit erzählen, das Leben so zu leben, wie es passiert, staunte, dass diese Frau, die so unschuldig auf dem weißen Futon lag, offensichtlich den Zugang zum Geheimnis gefunden hat. Danae sah die Mutter in ihr, die Bilder von Heike Connor, sie konnten nicht gefälscht sein. Noch mehr verblüffte sie, dass sie Janto erkennen konnte, seine Wangen, seinen Mund, selbst die Augenbrauen und die Stirn. Sie war beruhigt, dass sie mit ihren eigenen Augen und mit ihrem Gefühl die unglaubliche Geschichte überprüft hat. Vor ein paar Jahren hätte sie die Story geschluckt, um sich danach immer wieder zu fragen, warum sie sich kein eigenes Bild von der Situation gemacht hatte. Jetzt gestand sie sich ein, dass zu tun, was sie wollte.
„Dringe in das Innere eines Menschen ein,“ sagte Miriam auf einmal, „und du wirst sehen, vor was für Richtern du dich fürchtest.“
„Nein,“ antwortete Danae, „in das Innere einer Menschenseele. Und ich werde sehen, was sie für Richter über sich selbst sind.“
„Hut ab,“ frotzelte Miriam, „die Kleine kennt ja Marc Aurel.“
„Ich hasse dich,“ gab ihr Danae zu verstehen.
Die beiden schauten sich an, ohne die Lider zu bewegen.
„Wie hast du ihn dir geangelt?“ fragte Miriam spöttisch, „oder hat er dich geangelt, sollte ich netterweise sagen – verführt -, oder bezahlt er dich?“
Danae spürte, wie die Wut in ihr aufstieg. Es gab nur wenige Menschen, die ihre Knöpfe drücken konnten. Miriam gehörte mit dazu.
„Du bist nur neidisch,“ erwiderte Danae, „du bist neidisch auf meine Jugend, meinen Körper, ja selbst auf meinen jugendlichen Flair. Deine Zeit ist vorbei, deine Jugend, meine ich, und du solltest aufhören, mir meine Jugend zum Vorwurf zu machen.“
„Als ich so alt war wie du, habe ich es nicht darauf angelegt, mit Millionären ins Bett zu gehen.“ Miriam kam in Rage. „Er ist vierzig Jahre älter als du, das ist nicht normal. Er ist unreif, und du fällst drauf rein.“
Danae wollte sie unterbrechen, aber Miriam beherrschte die Situation und ließ sie nicht zu Worte kommen. „Jetzt rede ich, und wenn ich geredet habe, bist du dran. Also. Du bist sein Spielzeug, und wenn er satt ist, darfst du ihn gelegentlich in seinem Harem besuchen. Du solltest dir lieber einen Jungen in deinem Alter suchen, einen der etwas für dich empfindet. Einen, der vom Herzen her fühlt, einen, der nicht mit dem Geldbeutel klingelt.“
„Du liebst Janto nicht. Du hasst ihn. Es gibt Jungen, die sind so alt wie mein Opa. Sein Körper mag alt sein, aber innen drin ist er jünger als ich, weil er mit der Ewigkeit verbunden ist. Er ist verspielt wie ein kleines Kind und gleichzeitig hat er das Wissen eines indischen Weisen. Ich kann mit ihm teuer essen gehen und er leckt den Teller ab, wenn es ihm gut geschmeckt hat, ohne sich um die Blicke der anderen zu kümmern. Das ist Stil. Wir gehen afrikanisch essen und wir essen mit den Fingern. Das ist Lebendigkeit. Er hat mich noch nie beleidigt oder abgewertet, nie ein böses Wort zu mir gesagt. Er hat mich nie geschlagen, und er wird es auch nicht tun. Und er ist gut im Bett, im Auto oder im Restaurant. Er kennt keine Tabus. Er hat mich photographiert, weil ich unsterblich schön aussehe, weil ich die einzige Frau in seinem Leben bin, die voller Lust, Wollust sagt Janto, sein kann und dabei irdisch und göttlich zugleich aussehe. Erst durch Janto bin ich zur Göttin geworden. Und er ist durch mich Mann geworden, weil er alles bei mir sein kann. Kind, Jugendlicher, Verführer, Mann, Freund, Lover und Guru. Er ist der beste Clown und Theaterspieler, den ich je in meinem Leben kennengelernt habe. Und ich kenne eine Reihe von Leuten, Miriam, das solltest du mir glauben.“
Dann erfüllte Stille den großen Raum. Laute Stille, die erzählte, dass ein Krieg bevorstand. Ruhe vor dem Sturm.
„Lass uns verrückt spielen,“ sagte Miriam auf einmal, „nur bewusster, dynamischer. Lass uns kreativ mit der Situation umgehen. Lass uns die AUM machen.“
***
Zusammen suchten die beiden in Jantos CD-Sammlung, die chaotisch im Loft verteilt war. Während Miriam alle Schränke öffnete, rief Danae Janto auf seinem Handy an. „Schatzi, wir kommen erst später, wir machen die AUM, willst du auch mitmachen? Ach, dir ist es recht?“ Und da wurde ihre Stimme lauter, so dass Miriam mithören konnte. „Du schreibst an dem Märchen und brauchst ohnehin die Zeit? Und wo ist die AUM? Bei dir unten? Okay, ich komm runter.“
„Nein,“ sagte Miriam, ich gehe. Wer weiß, ob du ihn gleich zu einem Quickie verführst.“
„Ich mach mir nichts aus Quickies. Hör auf mit den blöden Sprüchen, das hast du nicht nötig.“
Als Miriam mit der AUM wiederkam, hockte sie sich vor die Anlage, überlegte, dass sie keinen richtigen Hunger mehr hatte, aber länger als eine Stunde sollte die Session nicht dauern, weil sie dann Riesenhunger haben würde. Die erste Phase, zwölf Minuten lang „Ich hasse dich“ zu schreien, das war in Ordnung für Miriam, aber zu zweit sollten sie die Spielregeln verändern. Und Phase Zwei „Ich liebe dich“ wäre auch neu zu kreieren. Als sie überlegte, ob sie eine Zwischenphase einschalten sollten, um sich die Hassgefühle, die Gemeinheiten und das Boshafte, deren sicherlich nicht wenige kommen würden, zu vergeben, hörte sie aus dem Badezimmer, wie sich Danae übergab. „Oh weia,“ dachte sich Miriam, „die Kleine ist schwanger.“

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