Montag, 7. März 2011

Geschichten für Initiationen.......................................................................2

Little Red Roosters Spiele

Und er sang in einer Sprache, die ich nicht verstand, jedenfalls nicht mit dem Kopf.
„Du kannst es mit deinem Körper hören. Hör genau hin.“
Und dann hörte ich es auch.
„I can’t get no, I can’t get no. Satisfaction.“
Der Song machte sich überall stark, auf dem Plattenteller, im Radio und im Gedächtnis meines Spaßmachers. Ein Spaßmacher hat sein eigenes Gehirn, und manche Menschen behaupten sogar, dass sein Gesicht direkt mit der Sonne verbunden ist.
„Ich bringe Wärme in jede Höhle, und sei sie noch so duster,“ sagte er mir einmal in einer guten Stunde, als wir aufhörten, auf die Quintessenz des Stonessongs zu hören. Doch bis dahin vergingen noch viele Jahre, die sich viel zu langsam entwickelten, wie mein bester Freund befand.
Mein Spaßmacher war, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Steh-Auf-Männchen.
„Komme, was da kommen wolle,“ keuchte er.
Kaum war er groß, ward er schon wieder klein, wenn man es verstand, ihn richtig zu kitzeln. Viel mehr Spaß bereitete ihm die Vorfreude, und wie es sich herausstellte, sollte es lange dauern, bis wir gemeinsam eine wunderschöne Spaßhöhle erkundeten. Es war genial, was sich „Little Red Rooster“, wie sich mein Spaßmacher damals nannte, einfallen ließ, um mich bei guter Laune zu halten.
Im Gegensatz zu den erschreckenden Bezeichnungen katholischer Nonnen wie „Pillermann“ und anderen verbalen Schreckgespenstern hatten wir bald einen Namensclub aus der Region, die mein Freund kurzerhand als „On the air“ bezeichnete. Im Radio gab es endlich die Würdigung, über die sich mein Spaßmacher freute. Ich weiß noch, als „Sexmachine“ erklang, schüttelte er sich stundenlang, lachte wie verrückt, und sagte: „Genau, das trifft den Kern. Das bin ich. One, two, three, four.“ Ob er damit James Brown imitierte, oder an die kommenden Luststunden in Papas „Brandnew Bag“ dachte, teilte er mir nicht mit, er war den Dingen und meinem Denken weit voraus, wundersame zwanzig Zentimeter, mal mehr oder weniger, das war nicht so wichtig.
„Sich regen bringt Segen,“ war sein neuester Spruch, als Harold Robbins zu Ehren von Hugh Hefner den Roman „Die Unersättlichen“ schrieb. Während ich noch vom Übergang der Volksschule zum Gymnasium geplagt war, freute er sich schon auf die deutsche Übersetzung, die alsbald im Bertelsmann Verlag erschien und wenige Zeit später in meine Hände fiel, weil meine aufmerksamen Augen den Anweisungen meines Freundes gerne folgten. Rina hatte ihre Freude nicht nur im Literarischen, auch in mir und zwischen meinen Beinen begann es sich zu regen, genüsslich und gleichzeitig gebremst, weil die Aufmerksamkeit sich teilen musste, um eventuelle Feinde des Geschehens rechtzeitig zu orten. Mein bester Gönner war mein Vater, der diese wunderbaren Bücher anschaffte; manche auch, wie „Fanny Hills Memoiren“, unter Lagen unschuldiger Wäsche versteckte, erfolglos, denn das war ja wie Ostern, und warum sollte ein elfjähriger Junge aufhören, Eier zu suchen, wenn der Hahn immer größer wurde? Fanny tat alles, und das sogar im Stehen. Dem Spaßmacher reichte es vollkommen aus, sich in seiner vollen Größe zu zeigen. „Das ist wahre Sensibilität,“ sagte er, wenn er begann, sich langsam zu recken und zu strecken, „wenn du etwas für meine Sinne tust.“
Nach der Bekanntschaft mit dem Unersättlichen machte ich eine Zeitreise mit „Sinuhe, dem Ägypter“, fand Freuden in John Steinbecks Garten, lernte das schnelle Abtasten langschweifiger Textstellen, um mich wieder zu verlangsamen, wenn meine Augen „gewisse“ Wörter gefunden hatte. Auch schulte ich Intuition und mentales Denken, um alleine aufgrund des Titels zu entscheiden, ob sich ein Text als griffig erweisen könnte. Leicht fiel es mir bei einem Titel wie „Mir hat es immer Spaß gemacht,“ schwieriger wurde es bei „Katharina der Großen“, entschädigt wurde ich durch „Josephine Mutzenbacher“. Die größte Herausforderung begann, als ich die „O“ entdeckte, mein Herz pochte, Zeile für Zeile, und selbst Spaßmacher kam ins Schwitzen. Das alleine das Lesen interessant genug war, um das katholische Milieu aufzupeppen, dass ich solange verweilen konnte, bis mein bester Freund endlich Freigänger war, hätte ich mir niemals träumen lassen. Doch das war so, wie es war. Mein Freund tat alles, um mich zu befreien. Ziemlich genial, wenn man bedenkt, wie stark die Fesseln des Christentums sind.
Leider verstanden meine Lehrer nichts von Bestsellern, die mein Herz und mein Dingeling berührten. Frau Dr. Prüde langweilte mich mit Gedichten aus Masuren, später auch mit Rilke und Schiller. Der Monotonie des Klassenzimmers zog ich die Vielfalt väterlichen Geschmacks vor, obwohl ich ständig auf der Lauer lag, um nicht während meiner literarischen Festmahlzeiten gestört zu werden. Irgendwann entdeckte ich die „Brüder Karamasow“ in der Privatsammlung eines Lehrers, der sich später als heimtückisch erwies. Er hatte es auf meinen Spaßmacher abgesehen. Er nutzte den Unterricht, um manuell zu erkunden, was sich bei kleinen Jungen zwischen den Beinen regen konnte.
Nennen wir ihn mal beim Namen. Dr. Ernst Ich-komme-von-hinten forderte einen Jungen auf, einen Text im Unterricht zu lesen. Dann schlich er sich langsam an sein Lustopfer heran, legte seine Lusthände auf die unschuldigen Oberschenkel des Jungen, verweilte mehrere Weilen, bis sein Ding ihm enpfahl, besser aufzuhören, bevor die Nähte seiner Stoffhose platzen würden. Dass es Dr. Je-jünger-je-lieber wie die alten Griechen trieb, Sex mit kleinen Jungen bevorzugte, davon hatte ich keine Ahnung. Ich war froh über seine Anerkennung als lernfreudiger Schüler, über seine Einschätzung, dass ich schon mit vierzehn Jahren Weltliteratur lesen könne. Doch keineswegs war ich gewillt, ihn sagen zu lassen (oder mich) „Morgenstund, hat Schwanz im Mund“. Auch nicht später. Das überliess ich lieber meinen Freundinnen, die Geschmack an meinem Spaßmacher fanden. Später, viel viel später.
Ab dem Bekanntwerden der üblen Taten des Herrn Doktors und seiner unerlaubten Spiele nahm meine Mutter meine Erziehung in ihre Hände. Sie liebte es plastisch, nahm einen Bonbon in die Hand, hielt in vor meine Nase und sagte: „Wenn da so ein reicher Herr aus seinem vornehmen Wagen steigt, und dich mit Bonbons locken will, dann schreist du so laut auf, wie du kannst und rennst weg. So ein Typ, der fickt dich nicht nur ins Knie, er will mit seinem Ding zwischen deine Pobacken. Du bekommst Hämorrhoiden, und wenn du Pech hast, verblutest du, wenn so eine geile Sau über dich herfällt. Hüte dich vor solchen Arschlöchern; du findest sie überall, in der Schule, in der Politik und in der Armee. Zuerst reißen sie dir den Arsch auf, und dann schicken sie dich in den Krieg.“
Warum der Doktor von seinen Kollegen nicht gechasst wurde, hat sie mir nicht gesagt. Die russischen Brüder waren noch verschwiegener, und erzählten mir nichts über Pubertät. Leider.  Wie das Praktische im Einzelnen funktioniert, musste ich mir selbst beibringen. Meine Pauker hatten anderes im Sinn. Nicht durch die Schule lernte ich. All das, was gut war, lernte ich weit weg vom Gymnasium; obwohl es viel Spaß machte, die Mädels heranwachsen zu sehen. Nicht nur meine Augen wurden größer, als ihre Brüste anfingen, zu wachsen.

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